Ungenutzte Chancen im After Sales Service

Nicht nur, aber im Wesentlichen unterstützt durch das Internet wird die Welt kleiner, die Märkte werden transparenter, und der Wettbewerb härter. Anbieter aus Niedriglohnländern nutzen ihre Kostenvorteile – und gelegentlich auch ihre Fähigkeit, erfolgreiche Konstruktionen „nach zu empfinden“ – um für das untere und mittlere Technologiesegment durchaus einsetzbare Maschinen zu sehr attraktiven Preisen anzubieten.

Dieser Preisdruck führt bei den etablierten Herstellern ganz zwangsläufig dazu, dass das Geld heutzutage mehr und mehr im Service verdient werden muss. Die im Neumaschinengeschäft erwirtschafteten Deckungsbeiträge können die Überlebensfähigkeit der Maschinenbauer nicht mehr sicherstellen, mehr und mehr Unternehmen benötigen einen profitablen After Sales Service zur Existenzsicherung. Untersuchungen der jüngeren Zeit haben gezeigt, dass die Ertragslage bei produktbezogenen Dienstleistungen mit einem EBIT zwischen 15 und 25% 8 bis 10 mal höher liegen kann als im Neumaschinengeschäft.

Aber die Betonung liegt hier ganz bewusst auf „kann“, denn ein Selbstläufer ist ein erfolgreiches und profitables After Sales Servicegeschäft nicht. Die wichtigste Grundlage für den Erfolg liegt zunächst in einer Veränderung des Selbstverständnisses. Die Zeiten, in denen es als Maschinen- und Anlagenbauer ausreichend war, dem Kunden eine gute Maschine zu verkaufen, gegebenenfalls vor Ort aufzubauen und in Betrieb zu nehmen, sind lange vorbei. Heutzutage erwarten Kunden von ihren Lieferanten eine deutlich über den Anschaffungszeitraum der Maschine hinausgehende Kooperation. Nur wer sich mit den Problemen seiner Kunden, der Maschinennutzer, identifiziert, die Bereitschaft zur Mitwirkung an Problemlösungen mitbringt oder sogar zugeschnittene Problemlösungen rund um das Kernprodukt im Portfolio hat, wird langfristig überleben.

Aus dem Lieferanten wird ein „Produktionspartner“

Aber genau dieser Paradigmenwechsel vom reinen Lieferanten hin zu einem „Produktionspartner“ des Kunden fällt vielen Unternehmen sehr schwer und führt dazu, dass rund ein Drittel der Maschinenbauunternehmen nach eigener Einschätzung nicht einmal ein Fünftel ihres Marktpotenzials im After Sales Service ausschöpfen. Und weil Hersteller nicht liefern können/wollen, was der Markt verlangt, treten immer mehr externe Dienstleister und „Servicepiraten“ auf den Plan.

Nur rund ein Viertel der von den Produktionsbetrieben für die Instandhaltung aufgewendeten Mittel werden mit den Maschinenherstellern abgerechnet. Und so bleibt der Umsatzanteil, den der After Sales Service am Gesamtumsatz der Maschinenhersteller hat, mit im Schnitt rund 19 % sehr deutlich hinter den Spitzenreitern der Branche zurück, die bereits fast die Hälfte ihrer Umsätze mit so genannten produktnahen Serviceleistungen erzielen.

Aber nicht nur Umsatz- und Ertragspotenziale werden von vielen Herstellern nicht genutzt, sondern auch die vielfältigen weiteren Vorzüge, die der After Sales – sofern professionell betrieben – bereitstellt.

Da ist vor allem die Kundenbindung zu erwähnen. Zwar kennt jeder die Binsenweisheit: „Die erste Maschine verkauft der Vertrieb, jede weitere der Service“, eine nachhaltige Konsequenz für die Unternehmensphilosophie wird daraus aber nicht abgeleitet. Oder auch der Informationsrückfluss in die Weiterentwicklung und Verbesserung der eigenen Produkte.

Was also hindert Unternehmen daran, ihren After Sales Service zu professionalisieren und ihn auszubauen?

Zum einen die Struktur

Nur bei einer Minderheit der Unternehmen wird After Sales Service als wichtiges Geschäftsfeld verstanden und als solches direkt der Geschäftsführung unterstellt. Bei vielen Unternehmen fristet der Service ein Dasein als Anhängsel der Montage oder des Vertriebs.

Zum anderen das Personal:

Oft werden Managementpositionen im Service intern besetzt, indem erfahrene, verdiente Servicetechniker aus dem Außendienst - vielfach zum Ende ihrer beruflichen Laufbahn - für solche Innendienst-Positionen gewonnen werden. Diese ohne Frage sehr erfahrenen Spezialisten sind aber nicht notwendigerweise die idealen Persönlichkeiten, konzeptionelle Schwächen zu erkennen und Optimierungsmaßnahmen zu entwickeln und umzusetzen. Nicht außer Acht lassen darf man in diesem Zusammenhang auch den Faktor Betriebsblindheit, der oft ein negativer Begleiter langjähriger Unternehmenserfahrung ist.

Drittens das Tagesgeschäft:

Kaum eine andere Abteilung ist so starken Schwankungen der Arbeitsbelastung ausgesetzt wie der After Sales Service. Die gleichen Personen, die maßgeblich den Wandel eines Unternehmensbereichs mitbestimmen und vorantreiben sollen, werden bei plötzlichen auftretenden, technischen Problemen wichtiger Kunden von der Geschäftsführung zu Oberproblemlösern ernannt. Damit kommt der initiierte Wandlungsprozess immer wieder ins Stocken, das wiederum führt zur Frustration – und es bleibt alles beim Alten.

Abhilfe verschafft da oft nur externe Hilfestellung durch Berater oder Interim Manager, die den Optimierungsprozess in Absprache mit der Geschäftsführung gestalten, als „Kümmerer“ vorantreiben, und den Wandel bei den Mitarbeitern auch moderieren. Hierdurch entstehen zwar auch Kosten, die man jedoch als wichtige Investition in die Zukunft des Unternehmens sehen muss, die sich noch dazu sehr schnell amortisiert.

Wichtig ist, dass Unternehmen diese Aufgabe in guten Konjunkturzeiten anpacken, um von den After Sales Service Aktivitäten in der nächsten Krise profitieren zu können – und die kommt bestimmt. Irgendwann.

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